Der 15. Dienstwagen-Check der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unter Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitikern offenbart ausgerechnet im Jahr der Klimawahl und trotz zunehmend spürbarer Folgen der Klimakrise erneut steigende Klimagasemissionen
Durchschnittlich stoßen die Dienstwagen auf der Straße deutlich mehr als das Doppelte des erlaubten CO2-Flottengrenzwertes aus. Die Politikerinnen und Politiker zeigen damit, dass sie die Dringlichkeit für mehr Klimaschutz noch immer nicht begriffen haben, so die DUH in einer aktuellen Mitteilung.
Ein wesentlicher Grund für den CO2-Anstieg sind die hohen Realemissionen der Plug-In-Hybride, deren Anteil auf 51 Prozent gestiegen ist. Gemessen am realen CO2-Ausstoß auf der Straße halten von 233 untersuchten Fahrzeugen nur 16 Dienstwagen den EU-Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2/km ein. Die DUH fordert, dass nur noch Dienstwagen in den Behörden angeschafft werden dürfen, die den EU-Grenzwert im realen Fahrbetrieb unterschreiten.
„Wie intensiv die Automobilindustrie den heißen Draht in die Bundesregierung für die Klimakiller-Werbung nutzt, zeigt die aktuelle Dienstwagenflotte unserer Politikerinnen und Politiker. Obwohl die Klimakrise direkt in Deutschland angekommen ist – viele Menschen haben in diesem Sommer durch Überschwemmungen ihre Existenz oder sogar ihr Leben verloren – leisten sich Bundes- und Landesregierungen ein Schaufahren gegen den Klimaschutz. Die Mehrheit setzt beim eigenen Dienstwagen auf absolute Klimakiller: Plug-In-Hybride. Anstatt sich für wirklich klimafreundliche Dienstwagen zu entscheiden, geben sich insbesondere die Mitglieder dieser Bundesregierung nur einen grünen Anstrich. In Großbritannien oder den Niederlanden ist die Förderung dieser Klimakiller-Pkw längst Geschichte, aber in Deutschland werben die Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker mit ihrer Dienstwagenwahl für besonders durstige und damit klimaschädliche Fahrzeuge. Wir fordern, dass Politikerinnen und Politiker mit gutem Beispiel vorangehen, die EU-Grenzwerte für CO2 ernst nehmen und auf effiziente batterieelektrische Dienstwagen umsteigen – dass das geht, zeigt zum Beispiel die Berliner Umweltsenatorin Regine Günther.“ – Barbara Metz, Stellvertretende Geschäftsführerin der DUH
Die zentralen Ergebnisse des Dienstwagen-Checks im Überblick:
Nur 16 Dienstwagen – ausschließlich Elektroautos– erhalten eine Grüne Karte
216 von 238 Politikerinnen und Politiker erhalten die Rote Karte, weil ihre Fahrzeuge den CO2-Grenzwert der EU im Realbetrieb massiv überschreiten
Die Hälfte der Dienstwagen (51 Prozent) sind Plug-In-Hybride mit besonders hohen CO2-Emissionen im realen Fahrbetrieb
Kein Mitglied des Bundeskabinetts erhält eine Grüne Karte; Christine Lambrecht, Peter Altmaier, Hubertus Heil und Gerd Müller teilen sich mit ihren besonders spritdurstigen Fahrzeugen den letzten
Platz
Schlusslichter im Gesamtranking sind die Landespolitiker Volker Bouffier (Hessen), Boris Pistorius (Niedersachsen) und Herbert Reul (Nordrhein-Westfalen); Die Umweltpolitikerin mit den niedrigsten
CO2-Emissionen ist wie im Vorjahr Regine Günther (Berlin)
Bündnis90/Die Grünen im Parteienvergleich vorne, CSU belegt letzten Platz
Insgesamt hat die DUH 238 Spitzenpolitikerinnen und -politiker auf Bundes- und Landesebene nach ihren insgesamt 233 Dienstwagen gefragt. Der Anteil batterieelektrischer Dienstwagen ist von 6 Prozent im letzten Jahr auf 7 Prozent (17 Fahrzeuge) gestiegen. Ärgerlich findet die DUH den von 43 Prozent im Vorjahr auf 51 Prozent (118 Fahrzeuge) gestiegenen Anteil der im realen Fahrbetrieb besonders klimaschädlichen Plug-In-Hybride. Nur leicht gesunken ist hingegen der Anteil der Fahrzeuge mit Dieselantrieb auf 38 Prozent (89 Fahrzeuge).
216 Politikerinnen und Politiker erhalten für die Wahl ihres Dienstwagens die Rote Karte, da ihre Fahrzeuge den CO2-Grenzwert im Realbetrieb um 20 Prozent und mehr überschreiten. Darin inbegriffen sind auch alle Dienstwagen mit besonders klimaschädlichem Plug-In-Hybridantrieb. Den Platz als negativer Spitzenreiter im Gesamtranking der Abfrage teilen sich in diesem Jahr gleich drei Politiker: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und der Nordrhein-Westfälische Innenminister Herbert Reul haben jeweils einen Audi A8 als Dienstwagen gewählt, der 488 g/km realen CO2-Ausstoß auf die Straße bringt. Den vorletzten Platz im Gesamtranking nimmt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller ein (Mercedes-Benz S-Guard 600 mit 408 g/km realer CO2-Ausstoß), den drittletzten Platz nimmt der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit Norbert Barthle mit seinem Audi Q7 und 301 g/km realem CO2-Ausstoß ein.
16 Politikerinnen und Politiker erhalten eine Grüne Karte für die Wahl ihrer Elektroautos, die den seit 2020 geltenden CO2-Grenzwert von 95 g/km im realen Betrieb einhalten. Umweltsenatorin Regine Günther belegt dabei den Spitzenplatz im Gesamtranking mit einem Tesla Model 3, gefolgt von Florian Stegmann (Leiter der Staatskanzlei in Baden-Württemberg, Mercedes-Benz EQC 400 4MATIC) sowie Ursula Nonnemacher (Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz in Brandenburg, Audi e-tron). Wolfram Günther, Staatsminister für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft in Sachsen erhält als einziger Politiker eine Gelbe Karte für seinen Dienstwagen mit einem realen CO2-Ausstoß von 107 g/km.
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„Unser diesjähriger Dienstwagen-Check zeigt, dass es möglich ist, über die Wahl des Dienstwagens ein Zeichen für Klimaschutz zu setzen. Doch nur 16 rein elektrische Dienstwagen, die den Grenzwert von 95 g CO2/km im realen Verbrauch einhalten, sind angesichts der insgesamt abgefragten 233 Dienstwagen viel zu wenig. Anstatt weiterhin für schwere Spritschlucker Werbung zu machen, sollten die Ministerien und in der Folge alle Behörden eine verbindliche Beschaffungsregel verabreden, nach der nur noch Dienstwagen erlaubt sind, die den EU-Flottengrenzwert auch auf der Straße einhalten. Die Bundesregierung muss außerdem auch außerhalb der eigenen Beschaffung die Förderung von Fahrzeugen stoppen, die den CO2-Flottengrenzwert auf der Straße überschreiten.“ – Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung der DUH
Wenn man die Parteien auf Landesebene miteinander vergleicht, schneidet Bündnis90/Die Grünen mit einem durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß von 199 g/km am besten ab. Es folgen Die Linke mit 215 g CO2/km, SPD mit 232 g CO2/km, FDP mit 240 g CO2/km und die CDU mit 249 g CO2/km. Schlusslicht sind in diesem Jahr die Mitglieder der CSU, die einen durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß von 250 g CO2/km aufweisen.
Erschreckend findet die DUH, dass erneut keine Bundesministerin und kein Bundesminister den EU-Flottengrenzwert mit ihrem Dienstwagen im realen Beitrieb einhält. Das Schlusslicht im Bundeskabinett bilden Christine Lambrecht, Peter Altmaier, Hubertus Heil und Gerd Müller. Sie alle fahren einen Audi A8 mit einem realen CO2-Ausstoß von 283 g/km und damit einer fast dreifachen Überschreitung des EU-Flottengrenzwerts. Bundesumweltministerin Svenja Schulze führt das Ranking an, aber mit ihrem Dienstwagen bringt sie immer noch einen realen CO2-Ausstoß von 242 g/km auf die Straße.
Auch viele Bundesländer fallen mit einem extrem hohen durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotten auf. Den geringsten Klimagasausstoß im Vergleich der Bundesländer hat die Dienstwagenflotte der Berliner Landesregierung mit trotzdem stolzen 200 g/km realen CO2-Ausstoß, gefolgt von Bremen. Brandenburg liegt auf Platz drei im Ranking und hat sich von durchschnittlich 224 g/km auf 204 g/km realen CO2-Ausstoß verbessert. Schlusslicht unter den Bundesländern bildet weiterhin das schwarz-grün regierte Hessen. Es verschlechtert sich in diesem Jahr erneut, von durchschnittlich 257 g CO2/km im letzten Jahr auf 272 g CO2/km realen CO2-Ausstoß.
Quelle: DUH – Pressemitteilung vom 06.09.2021
[Michael Neißendorfer]
Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Großunternehmen fordern Verbrennerverbot für Dienstwagen
Ab dem Jahr 2030 sollten in der EU nur noch E-Dienstfahrzeuge neu zugelassen werden dürfen. Die Forderung nach einem Verbrennerverbot für Dienstwagen kommt von 30
Unternehmen, die an die EU-Kommission einen offenen Brief geschrieben haben.
30 große Unternehmen haben von der EU-Kommission in einem offenen Brief gefordert, Verbrenner-Fahrzeuge als Dienstwagen zu verbieten. Spätestens zum Jahr 2030 sollten alle neuen Firmen- und
Lieferwagen emissionsfrei sein.
In der Elektrifizierung von Flotten sehen sie eine riesige Chance. „6 von 10 in Europa verkauften Autos sind Firmenwagen, wobei diese Fahrzeuge doppelt so viel wie
Privatfahrzeuge fahren“, heißt es im Brief. Dabei haben die Verfasser des Briefes (darunter SAP, Coca-Cola, Ikea, Tesco, Unilever, Uber und Vattenfall) darauf hingewiesen, dass die Kaufentscheidungen
von Flotten einen signifikanten Effekt auf den Rest des Marktes haben, da die Fahrzeuge im Allgemeinen nach nur 3-5 Jahren in den Gebrauchtwagenmarkt gelangen. Deshalb seien Unternehmen in einer
großartigen Position, um die Elektrifizierung voranzutreiben, da sie in der Regel Kaufentscheidungen auf der Grundlage der Gesamtbetriebskosten (TCO) treffen.
„Als führende Unternehmen möchten wir unseren Teil dazu beitragen, Europa zu einem grüneren und energieunabhängigeren Kontinent zu machen. Wir glauben auch, dass eine intelligente Regulierung zur
Elektrifizierung von Flotten uns dabei helfen wird, unseren Wechsel zu Elektrofahrzeugen weiter zu beschleunigen“, heißt es im offenen Brief an die EU-Kommission.
Starkes Signal an politische Entscheidungsträger
Der Verkehr sei in der EU die größte Quelle von Treibhausgasemissionen, von daher müsste die Elektrifizierung des Straßenverkehrs beschleunigt werden. Generell kann eine beschleunigte Elektrifizierung von Flotten der Europäischen Union nach Ansicht der 30 Unternehmen einen wichtigen dreifachen Gewinn bringen:
- schnelle Reduzierung der Emissionen im Straßenverkehr
- Abkehr von russischen Ölimporten
- Schaffung eines blühenden Gebrauchtwagenmarktes für erschwingliche Elektrofahrzeuge.
Diese Maßnahme werde nach Ansicht der Autoren Angebot und Nachfrage steigern und gleichzeitig ein starkes Signal an politische Entscheidungsträger,
Automobilhersteller und andere Branchenakteure senden, dass die Zukunft elektrisch ist und wir die richtigen Rahmenbedingungen brauchen, um den Wechsel voranzutreiben.
Dienstwagen als Zusatzleistung
Ein Dienstwagen als Zusatzleistung kann für Arbeitnehmer ein attraktives Angebot sein und ein Plus-Punkt, sich für ein Unternehmen zu entscheiden. In Zeiten des Fachkräftemangels könnte es ein zusätzliches Argument sein, Fachkräfte für sich zu gewinnen. Mit anderen Worten: Für Arbeitgeber handelt es sich um ein Instrument zur Mitarbeiterbindung und -motivation. Ein Dienstwagen als Zusatzleistung kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber eine attraktive Option sein.
Ein Dienstwagen als Zusatzleistung hat viele Vorteile sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmende.
Zum einen entfallen den Arbeitnehmenden Kosten für Kauf, Versicherung und Wartung eines eigenen Autos. Zum anderen können die Mitarbeitenden den Firmenwagen auch privat nutzen. Wer jeden Tag zur
Arbeit pendeln muss und einen längeren Arbeitsweg zurücklegt, hat einen klaren Vorteil. Außerdem kann ein Dienstwagen auch das Ansehen des Arbeitnehmers in der Öffentlichkeit erhöhen.
Allerdings muss man dabei bedenken, wer seinen Firmenwagen auch privat nutzt, hat einen sogenannten geldwerten Vorteil. Dieser Vorteil muss versteuert werden. Führt man kein Fahrtenbuch oder will es
nicht führen, kann er oder sie die sogenannte Ein-Prozent-Regel nutzen und für jeden Monat ein Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs ansetzen. Beispielsweise, wenn man einen Dienstwagen mit
einem Listenpreis von 50.000 Euro fährt, beträgt der geldwerte Vorteil 500 Euro pro Monat. Dieser Betrag muss versteuert werden. Bei den Elektroautos sieht es ein bisschen anders aus. Bei
Elektrofahrzeugen, die nicht teurer als 60.000 Euro sind, müssen nur 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises angesetzt werden.
Vorteile für Arbeitgeber
Auch Arbeitgeber profitieren von einem Dienstwagen als Zusatzleistung. Stichwörter: Mitarbeiterbindung und -motivation. In diesem Fall kann ein Dienstwagen als
Marketinginstrument genutzt werden, wenn man darauf zum Beispiel das Firmenlogo oder den Firmennamen anbringt und so für eine höhere Bekanntheit sorgt. Für Arbeitgeber gibt es ebenso gewisse
steuerliche Vorteile, wenn der Dienstwagen als Betriebsausgabe geltend gemacht wird. So kann ein Unternehmen Dienstwagen steuerlich vergünstigt anschaffen – es bekommt beim Neuwagenkauf die
Mehrwertsteuer zurück.
Dienstwagen als Streitpunkt in der Ampel-Koalition
Noch im vergangenen Jahr haben sich Umweltorganisationen für eine grundlegende Reform der Dienstwagenbesteuerung ausgesprochen. Denn: der Dienstwagenmarkt biete das größte Potenzial zur Elektrifizierung. „Das liegt daran, dass die Dienstwagenbesteuerung keine Lenkungswirkung entfaltet und nicht die notwendigen Anreize für den Umstieg auf Elektro bietet. Eine Steuerreform und der Abbau der Steueranreize für Verbrenner würde ein Signal an Unternehmen und Automobilhersteller senden, schneller Richtung E-Mobilität umzuschalten“, zitiert dpa den Direktor von T&E Deutschland, Stef Cornelis.
Der Verkehrsclub Deutschland hält die Regeln zur pauschalen Besteuerung von Dienstwagen für veraltet, berichtete die dpa noch im vergangenen Jahr. „Es ist ein enormes Steuerprivileg, das ökologisch und sozial ungerecht ist“, kommentierte der verkehrspolitische Sprecher des Verbands, Michael Müller-Görnert. Davon profitierten vor allem Besserverdienende. Ein Dienstwagen sei viel günstiger, als wenn man sich ein Auto privat kaufen würde. Von daher plädiert er dafür, dass das sogenannte Dienstwagenprivileg komplett abgeschafft werden sollte.
Auch in der Ampel-Koalition ist die pauschale Besteuerung von Dienstwagen umstritten. Die Grünen wollen sie stärker an den CO₂ -Ausstoß des Autos knüpfen, um Anreize zum klimafreundlicheren Verkehr zu setzen und Einnahmen für den Staat zu generieren. Die FDP und der Finanzminister Christian Lindner haben es abgelehnt. Ihrer Ansicht nach, so das Argument, gebe es bereits eine Klimawirkung durch die steuerliche Besserstellung von Elektroautos.
Der Verbrenner-Verbot für Dienstwagen, von dem nun die Rede im offenen Brief ist, wird den Verkauf von Elektroautos ankurbeln.
Da solche Autos üblicherweise nach drei bis fünf Jahren auf dem Gebrauchtmarkt angeboten würden, wird es sich auch auf den restlichen Automarkt auswirken. Von daher sind die Unternehmen, die sich an
die EU-Kommission gewandt haben, der Meinung, dass ein Verbot von Dienstwagen mit Verbrennungsmotoren die Elektrifizierung des Straßenverkehrs beschleunigen würde.
Ein Beitrag von:
Alexandra Ilina
Content-Managerin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin
unterwegs. Sie schreibt über Karriere und Technik.